archivierte Ausgabe 1/2015 |
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Einführung |
Der Weg der Schönheit |
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»Die Kirche: Schön, dass es so etwas gab. Wie sie Aller Augen warten auf dich sangen. Sonst hätten sie gar nichts gehabt.« Der Schriftsteller, Büchner-Preisträger und Theologe Arnold Stadler versammelt in einem Roman eine Hochzeitsgesellschaft in den 1970er Jahren: »Die Kirche am Sonntag, über die Jahrhunderte verteilt, hatte den Menschen noch etwas Licht gebracht, diese Worte, diese Poesie. Die Missa in honorem Papae Marcelli, der Kontrapunkt auf den kühn nach oben gebauten Emporen oberschwäbischer Dorfkirchen für zweihundert Seelen. Und alle konnten das Vaterunser auswendig ... Sonst hätten sie gar nichts gehabt. Wären niemals in Berührung gekommen mit dem Schönen. Sonst hätten sie auf den Flohmarkt gemusst.« (Arnold Stadler: Komm, gehen wir, Frankfurt 2007, 281.)
Eine Anspielung auf Palestrina, ein Hinweis auf den oberschwäbischen Barock – das genügt. Aller Augen warten auf dich – Musik, Kirchenbau, Kunst ... Liturgie: Über Jahrhunderte war die Kirche für viele Menschen der nahezu einzige Ort, an dem sie ästhetische Erfahrungen machen konnten, in Berührung kamen mit dem Schönen.
Auch die Pastorale Einführung in die Wort-Gottes-Feier weist auf diese Dimension des Gottesdienstes hin: »Ein Geschehen, das die Menschen und ihre Gemeinschaft so tief und so umfassend angeht, erfasst wie von selbst Leib und Seele, Denken und Fühlen, alle Sinne. […] Darum ist der Ambo mehr als ein Lesepult mit einem Mikrophon. Er ist der Thron des Buches der Heiligen Schrift […] Auch das Buch, aus dem das Wort Gottes vorgetragen wird, muss etwas erahnen lassen von der Würde des Wortes Gottes.« (Werkbuch, S. 15 )
Die heute zu beobachtende Ästhetisierung nahezu aller Lebensbereiche betrifft auch die Religion. Kirche wird zu einem Angebot. Mit ihren Festen erbringt sie eine Dienstleistung im Freizeitsektor. Das ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance – denn auch und gerade heutige Menschen einer ästhetisch sensibilisierten Kultur sind ansprechbar durch symbolische und rituelle Inszenierungen.
Oder ist diese Einschätzung zu optimistisch? Macht man es sich damit zu leicht? In seinem Apostolischen Schreiben EVANGELII GAUDIUM (vom 24. 11. 2013) formulierte Papst Franziskus: »In der herrschenden Kultur ist der erste Platz besetzt von dem, was äußerlich, unmittelbar, sichtbar, schnell, oberflächlich und provisorisch ist. Das Wirkliche macht dem Anschein Platz.« (Evangelii Gaudium 62) Was hier vielleicht zunächst nach einer Kritik der Ästhetik klingt, meint eine Kritik derjenigen, die die ästhetischen Wahrnehmungs- und Erkenntnismöglichkeiten der Menschen missbrauchen, einen Anschein erwecken, der nicht gerechtfertigt ist. Im Abschnitt über die Verkündigung des Evangeliums spricht sich Papst Franziskus klar dafür aus, »dem ›Weg der Schönheit‹ (via pulchritudinis) besondere Aufmerksamkeit « zu schenken. »Christus zu verkündigen, bedeutet zu zeigen, dass an ihn glauben und ihm nachfolgen nicht nur etwas Wahres und Gerechtes, sondern etwas Schönes ist, das sogar inmitten von Prüfungen das Leben mit neuem Glanz und tiefem Glück erfüllen kann. In diesem Sinn können alle Ausdrucks formen wahrer Schönheit als Weg anerkannt werden, der hilft, dem Herrn Jesus zu begegnen.« Dem Papst geht es dabei natürlich nicht um Anbiederung an den Zeitgeist. Etwas holprig fährt der deutsche Text fort: »Es geht nicht darum, einen ästhetischen Relativismus zu fördern, der das unlösbare Band verdunkeln könnte, das zwischen Wahrheit, Güte und Schönheit besteht, sondern darum, die Wertschätzung der Schönheit wiederzugewinnen, um das menschliche Herz zu erreichen und in ihm die Wahrheit und Güte des Auferstandenen erstrahlen zu lassen.« (Evangelii Gaudium 167) Die Schönheit der Liturgie soll »etwas erahnen lassen von der Würde des Wortes Gottes«. Die ästhetische Gestalt des Gottesdienstes ist nicht Selbstzweck, sondern eine Möglichkeit der Erkenntnis und der erfüllenden Begegnung mit dem ganz Anderen. Das wirklich Schöne ist erfüllt im und vom Wahren und Guten.
Auf diesen »Weg der Schönheit«, der Ästhetik, der Kunst und Kultur wird sich die deutsche katholische Kirche in besonderer Weise im Jahr 2015 begeben. Das 50-jährige Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils ist Anlass zu einem Kunstprojekt unter dem Titel »Freude und Hoffnung, Trauer und Angst«. An mehreren Orten werden Bildende Künstler, Theatermacher, Schriftsteller, Filmemacher und Musiker wesentliche Impulse des Konzils für das 21. Jahrhundert sicht- und hörbar machen: www.freude-und-hoffnung.com . Aller Augen warten auf dich.
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Andreas Poschmann |
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